Stojanović, Dubravka – Der Fuß in der Tür. Beiträge zu einer politischen Biographie der Bibliothek des 20. Jahrhunderts 2011.

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Dubravka Stojanović –  Der Fuß in der Tür.
Beiträge zu einer politischen Biographie der Bibliothek des 20. Jahrhunderts 2011.

 

Aus dem Vorwort:

 

 

 

„Dieses Buch ist anlässlich des Jubiläums der Bibliothek des 20. Jahrhunderts entstanden. In diesem Jahr, 2011, jähren sich vierzig Jahre ihres Bestehens. Es handelt sich dabei um die einzige Edition theoretischer Literatur, die noch im früheren Jugoslawien ins Leben gerufen wurde, die überlebt hat. Solche Reihen erlebten seinerzeit einen Boom, und waren Teil einer lebendigen Diskussion. Die Bibliothek des 20. Jahrhundert hat den Zerfall Jugoslawiens, die Kriege, die Systemveränderungen überstanden und sich erfolgreich in den neuen marktwirtschaftlichen Verhältnissen zurechtgefunden. Schon allein deswegen, aber ebenso aufgrund der Tatsache, dass in unserer Vergangenheit eigeninitiative Institutionen häufig allzu schnell verschwanden oder zerstört wurden, verdient diese Bibliothek eine Biographie. Wie in vielen anderen Fällen, existiert sie auch Dank der Hartnäckigkeit des Individuums trotz und gegen das System. Auch dies ist ein guter Grund für eine Biographie: es handelt sich damit gleichzeitig auch um die Geschichte ähnlich gelagerter, anderer „Fälle”, kultureller Projekte, die Dank des Enthusiasmus jener entstanden sind und noch bestehen, die stärker das System verändert haben, als dieses es umgekehrt mit ihnen vermochte.

Methodologisch ist dieses Buch im Bereich der Gesellschaftsgeschichte angesiedelt. Vermittels der Darstellung der Geschichte dieses Verlags in den letzten vier Jahrzehnten erschließt sich auch eine besondere Perspektive auf die gesellschaftlichen Veränderungen in Jugoslawien und Serbien. Die einzelnen Episoden der Geschichte des Verlags eröffnen den Blick auf wesentliche Fragen im Bezug auf Serbien, die um die gesellschaftliche Grundlage der autoritären Ordnungen kreisen, die sich scheinbar immer wieder in unserer Gesellschaft verfestigen können. Wie lassen sich die einzelnen Akteure in der Festigung und Aufrechterhaltung autoritärer Ordnung beschreiben und fassen?

Diese Frage wurde immer wieder im Konkreten in den einzelnen Situationen gestellt, in denen sich die Bibliothek in den verschiedenen Etappen ihres Bestehens wiederfand.

Deshalb kamen der Herausgeber der Bibliothek und die Autorin auf die Idee, das 40-jährige Jubiläum so zu begehen, dass die Geschichte des Verlags selbst zum Gegenstand eines Buches wird – als 200. Titel der Bibliothek. Nicht damit diese Edition gefeiert wird – oder: nicht nur damit sie gefeiert wird. Sondern, um zu zeigen, dass es immer, in jedem System, zu jeder Gelegenheit möglich war zu bestehen, authentisch zu bleiben. Das es immer Menschen gab, die solches vermochten. Dass sie nicht wenige waren, die sich so etwas auch trauten. Alle Konfliktsituationen, von denen hier die Rede ist, zeigen dass es immer Journalisten, Freunde, Intellektuelle, Beamte, „normale Menschen”, ja auch Funktionäre gab, die sich widersetzten. Mit anderem Worten, dass es immer Raum für Widerstand gab”.

Dubravka Stojanović ist Professorin für Allgemeine Moderne Geschichte an der Universität Belgrad. Sie ist Mitinitiatorin des international angesehenen Belgrader Verbandes für Gesellschaftsgeschichte. In ihren Arbeiten setzt sich Dubravka Stojanovic mit der Geschichte der serbischen Gesellschaft im 19. Und 20. Jahrhundert jenseits nationaler Meisternarrative auseinander.